Gottfried Helnwein Info

Presse und Medien

Die Presse – 20. Februar 1992

"Macbeth", 1992

EIN STARKES STÜCK FÜR STARKE NERVEN

von Linda Zamponi

Mit Johann Kresniks "Macbeth" im Ronacher startet "Tanz 92"
In dem Wiener Maler und Aktionisten Gottfried Helnwein hat Kresnik den kongenialen Ausstatter. Ein blutroter Vorhang, davor ein Wassergraben, die kalkweiß ausgeleuchtete Bühne schließt den Hintergrund mit einem bedrohlich hohen Metalltor, durch das der Tod kommt und geht. Die gesichtslose Gestalt, die jede Szene beendet, leert emotionslos Kübel um Kübel Menschenblut in den Graben, zum Schluß wird es eine Badewanne voll sein, die sie fein säuberlich von der Blutspur des Verbrechens reinigt und ihre Hände in Unschuld wäscht.

Die Wanne als Symbol für die Greueltaten aller. Anfangs sind es unzählige solcher Wannen, Särge mit deformierten, geschundenen Kreaturen, zwischen denen Macbeth und die Lady die ersten Mordgedanken wälzen; Drei Hexen mit lemurenhaften Fratzen bieten Macbeth die nackten Brüste, das Blut, das er gierig aus ihnen saugt, treibt ihn vom Blut zum Machtrausch. Noch aber widersetzt er sich der Antriebskraft der dominierenden Frau.

Sekundenlang war es totenstill im Zuschauerraum, als das Schlußbild langsam, wie in Zeitlupe, im Dunkel versank. Das Bild, das jedem aus Zeitung und Fernsehen noch in grauenvoller Erinnerung ist: der deutsche Politiker Uwe Barschel in der Badewanne eines Hotelzimmers, ertrunken, mit verbundener Schlagader. War es Mord, war es Selbstmord? Der Fall wurde nie aufgeklärt...

Für Johann Kresnik, den gebürtigen Kärntner und derzeitigen Chef des Bremer Theaters, gibt es keinen Zweifel an der Mordtheorie.

In seinem brisanten Politdrama "Macbeth" scheint weder der Name Uwe Barschel noch der William Shakespeares auf. Das signalisiert die Zielrichtung: Kresnik will anhand zweier exemplarischer Beispiele die Mechanismen von Gewalt und Macht zeigen. Er zieht zu Felde gegen die Verdrängung von Schuld, attackiert eine Gesellschaft, die angesichts täglicher Greuel zur Tagesordnung übergeht.

Die Tänzer tragen zwar noch die Namen von Shakespeares Königstragödie, aber Kresniks Mörder, Ermordete und Selbstmörder sind unsere Mitmenschen, es gibt sie heute und überall.

Das choreographische Theater Kresniks erspart dem Zuschauer nichts, es watet in Blut. Der Meister des Psychoterrors brandmarkt die Gewalt mit gewalttätigen Metaphern, die mit dem Holzhammer zuschlagen. Ihre anarchische Kraft schreckt vor knüppeldick eingesetzten Mitteln nicht zurück, sie will bewußt provozieren.

In dem Wiener Maler und Aktionisten Gottfried Helnwein hat Kresnik den kongenialen Ausstatter. Ein blutroter Vorhang, davor ein Wassergraben, die kalkweiß ausgeleuchtete Bühne schließt den Hintergrund mit einem bedrohlich hohen Metalltor, durch das der Tod kommt und geht. Die gesichtslose Gestalt, die jede Szene beendet, leert emotionslos Kübel um Kübel Menschenblut in den Graben, zum Schluß wird es eine Badewanne voll sein, die sie fein säuberlich von der Blutspur des Verbrechens reinigt und ihre Hände in Unschuld wäscht.

Die Wanne als Symbol für die Greueltaten aller. Anfangs sind es unzählige solcher Wannen, Särge mit deformierten, geschundenen Kreaturen, zwischen denen Macbeth und die Lady die ersten Mordgedanken wälzen; Drei Hexen mit lemurenhaften Fratzen bieten Macbeth die nackten Brüste, das Blut, das er gierig aus ihnen saugt, treibt ihn vom Blut zum Machtrausch. Noch aber widersetzt er sich der Antriebskraft der dominierenden Frau.

Morden oder gemordet werden
Duncans Ankunft entscheidet: es gibt nur mehr die, die töten, und die, die getötet werden. Und Macbeth tötet nicht nur für die Königskrone, er mordet, um kein Feigling zu sein. Die Mänaden haben ihr böses Spiel gewonnen. Die Festtafel für Banquo, Macduff und seine Frau ist schwarz gedeckt, die Dolche sitzen im Gewand. Aber sie stoßen nie offen zu. Kresnik läßt sie nur an der Bühnenrampe als corpus delicti und Menetekel in den Boden rammen. Die ersten Spuren des beginnenden Wahnsinns der Lady zeichnen sich ab, das Blut an Händen und Füßen bedeckt immer schneller und schneller den ganzen Körper, läßt sich nicht mehr wegwaschen. Auch Macbeth verliert seinen Halt, seine Halluzinationen gaukeln ihm Kronen vor, die auf Totenköpfen sitzen. Die unter der umgekippten Badewanne erstickte Gemahlin nimmt er nicht mehr wahr. Irrwitzig tanzt er auf der Toten seinem Ende entgegen.

Mitten hinein in den verstörenden Alptraum läßt Kresnik eine häusliche Idylle platzen, in der eine Gruppe junger Dinger unter einem überdimensionalen Frühstückstisch ihr argloses Spiel treibt. Die drei Männer, die sie lächelnd dabei beobachten, tragen Ärztemäntel - und Falleisen an den Schuhen. Urplötzlich fallen sie aus dem Hinterhalt über die Kinder her, schänden sie, foltern und töten sie schließlich.

Die radikale Körpersprache, mit der Kresnik seinen kämpferischen Appell vorantreibt, schockiert und fasziniert in einem: Mit Rasiermesserschärfe seziert er die Charaktere, trotzt seiner fabelhaften Mannschaft das Letzte an körperlichem und mimischem Einsatz ab, zwingt sie in einen Exhibitionismus, der bis zur Selbstverleugnung geht. Joachim Siskas Macbeth, die Lady der Susana Ibañez, Christian Camus (Wienern wohlbekannt als ehemaliges Mitglied der Liz-King-Kompanie) als Banquo, der alte Duncan Harald Beutelstahls, Roberto Giovanetti und Susan Barnett als die Macduffs und die wüsten Hexen Amy Coleman, Christian Comtesse und Liliana Saldaña leisten Bewundernswertes.

Die beiden Pianisten Christine Kähler und Stephan Seebass hämmern Kurt Schwertsiks unbarmherzig stählernen Rhythmus in die Tasten.

Gerhard Brunner, der Initiator der Tanzbiennale, kann seine erste heurige Sensation verbuchen.

Gottfried Helnwein, Bühnenbild und Kostüme zu Shakespeares "Macbeth", Choreographie: Hans Kresnik
20.Feb.1992 Die Presse Linda Zamponi

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